Aus dem Abseits ins Rampenlicht
Zwei Stadtrundgänge von «Abseits Luzern» führen auch in die Wärchbrogg. Initiant Marco Müller erklärt, wie das Projekt entstanden ist und funktioniert. Die Nachfrage ist sehr gross.
Marco Müller, warum ist Luzern für Ihre sozialen Stadtrundgänge geeignet?
Marco Müller: Luzern hat eine lange Tradition von Institutionen, die sich für sozial benachteiligte Menschen einsetzen. Die Wärchbrogg ist das beste Beispiel dafür. In der Drogenpolitik haben Leute wie Sepp Riedener Pionierarbeit geleistet. Hier gab es schon früh Angebote wie die Gassenküche, den Aufenthalts- und Betreuungsraum für Drogenabhängige, eine Methadon- und Heroinabgabe oder betreutes Wohnen. Auch die Aktivitäten der Güggalizunft zeigen, dass man hier ein Verständnis hat für Menschen, die etwas anders sind. Luzern ist prädestiniert für ein solches Angebot.
Mit welchem Ziel haben Sie das Projekt initiiert?
Mit «Abseits Luzern» wollen wir die soziale, kulturelle und wirtschaftliche Integration von sozial benachteiligten Menschen fördern. Ausserdem kann die Bevölkerung für Themen wie Armut, Sucht, Benachteiligung oder Ausgrenzung sensibilisiert werden. Schliesslich besuchen wir auf den sieben Rundgängen insgesamt rund 40 soziale Institutionen, die dadurch ins Rampenlicht rücken und sich präsentieren können.
Sie sind im April 2017 gestartet. Wie lautet die Zwischenbilanz?
Wir sind selber überrascht vom riesigen Interesse. Beim Start haben wir tausend Teilnehmer pro Jahr anvisiert. Diese Zahl haben wir schon nach zwei Monaten erreicht. Wir werden förmlich überrannt mit Anfragen.
Wie reagieren die Besucher auf die Rundgänge? Was sind klassische Rückmeldungen?
Wir erhalten sehr positive Feedbacks. Viele wundern sich, dass sie Sachen erfahren, die sie vorher nicht kannten. Die Besucher sind nicht zuletzt berührt von den Guides, die spannend erzählen und ihre persönlichen Geschichten mit den Stationen verknüpfen.
Wie wurden die Guides ausgewählt? Was sind die Anforderungen?
Wichtig sind Zuverlässigkeit und eine gewisse Stabilität. Auch sollte man die eigene Geschichte einigermassen verarbeitet und eine positive Lebenseinstellung behalten haben, um die Themen vermitteln zu können. Auf unsere Ausschreibung hin haben sich über 20 Leute beworben. Davon haben wir sechs genommen. Wir haben inzwischen einen siebten Guide, da die Nachfrage so enorm ist.
Müssen Sie auch mit Schwierigkeiten kämpfen?
Die Guides wurden ein halbes Jahr lang von einer Sozial- und Theaterpädagogin auf ihre Aufgabe vorbereitet. Inzwischen haben sie manchmal zwei Einsätze pro Tag oder sieben bis acht pro Woche. Für einige ist das zu viel. Es kann auch Spannungen geben, Instabilitäten, punktuelle Überforderungen. Deshalb brauchen auch die bestehenden -Guides weiterhin eine unterstützende Begleitung und regelmässig Feedbacks, damit sie motiviert bleiben.
Auch die Wärchbrogg ist eine der Stationen. In welchem Zusammenhang?
Zwei von sieben Touren haben die Wärchbrogg im Programm. Auf der Montagstour ist der Quai4-Markt ein Thema. Auf der zweiten Tour am Samstag steht das Restaurant Quai4 im Zentrum, wo der Rundgang auch endet. Beim Quai4-Markt müssen wir jeweils ein paar Minuten Pause einlegen, weil der Laden den Leuten so gefällt. Wir haben regelmässig Gruppen, auch von andern Touren, die nach dem Rundgang einen Apéro nehmen oder etwas essen möchten und dann das Restaurant Quai4 wählen: Es ist gut gelegen, die Öffnungszeiten passen, es ist flexibel und hat viele Plätze.
Was sind die weiteren Pläne?
Wir überlegen uns Führungen in anderen Sprachen, damit wir auch Touristen begeistern könnten. Zudem könnten wir ausgewählte Themen weiter vertiefen. An Ideen mangelt es uns nicht. Doch angesichts der grossen Nachfrage müssen und wollen wir vorderhand die Kräfte dafür einsetzen, das bestehende Angebot möglichst gut über die Runden zu bringen.
(Interview: pb)